Rebel-Management-Training denkt nach!

Nadine Rebel

Tanzen und den Alltag vergessen

Seelentanz

George Bernard Shaw (1856 - 1950), irischer Dramatiker und Kritiker sagte einmal: „Tanz ist der vertikale Ausdruck eines horizontalen Verlangens, legalisiert durch Musik.“ Ein schönes Zitat, welches dennoch nur einen Teil dessen beschreibt, was Tanz für den Körper und die Seele zu sein vermag. Weder scheinen horizontale Wünsche in einer woken Gesellschaft noch legitimiert werden zu müssen, noch ist Tanz ausschließlich künstlerisch ausgedrückte Begierde und Lust. Es ist viel mehr. Eine Hommage an das Tanzen.

 

Körperlichkeit

Tanz funktioniert nicht, ohne dass man sich seiner Körperlichkeit bewusst ist. Die Seele verschmilzt mit der Musik, die Emotionen werden durch Bewegungen zum Ausdruck gebracht und im Idealfall ergibt alles ein harmonisches Ganzes. Dabei scheinen sich Körper und Seele nicht immer gut zu verstehen. Der Kopf gibt vor, die Seele weiß noch nicht so recht, was sie damit anfangen soll und der Körper macht einem einen Strich durch die Rechnung. In solchen Momenten, im Training oder auf der Bühne, ist von sinnlicher Harmonie wenig zu sehen oder zu spüren. Und doch spürt man, dass sie da ist. Sie hat nur einen schlechten Tag.

 

Sich dessen bewusst zu sein, dass der gesamte Körper wichtig ist, kann bereichernd und erschreckend zu gleich sein. Die Halslinie, das Steißbein, die (gestreckten) Zehen, die Hände und Finger, die Neigung des Kopfes, die Aufrichtung der Wirbelsäule, der Brustbereich, der Bauch, die Schultern, das Becken, der Po und Schambereich - es gibt Nichts, was keine Rolle spielen würde.

 

An guten Tagen genießt man es. An schlechten Tagen fühlt man sich defizitär, plump, ungelenk, schwerfällig, wuchtig, unförmig und unbeholfen.

 

Sich selbst in seiner gefühlten Unbeholfenheit anzuerkennen, diese nicht nur zu akzeptieren, sondern sie anzunehmen und lieben zu lernen, ist meines Erachtens ein elementarer Teil eines authentischen Tanzes. Und dann öffnet das Tanzen die Tür für die Seele, damit diese fliegen kann.

 

Traumwelt

Im Alltag ist für derartige Träumereien kein Platz. Man funktioniert, man leistet, man agiert, man reagiert, man arbeitet.

Auch im Tanztraining sind Leistung, Aktion, Reaktion und harte Arbeit notwendig. Das Ziel ist es, sich ein Portfolio an Bewegungsmöglichkeiten zu schaffen, die Ausdruck der Seelentiefe werden können.

 

„Aus den Scherben meines Lebens bau‘ ich mir eine Discokugel und tanz darunter“ - Ein Postkartenspruch.

Nicht nur, weil in unserem Studio auch eine Discokugel hängt, gefiel mir der Spruch so gut.

Die Discokugel steht symbolhaft für Party, für Licht, für das Schillern von Farben, für die Lichtpunkte, die man auf einmal überall sehen kann, selbst wenn sonst alles dunkel zu sein scheint.

 

Das Leben muss kein Scherbenhaufen sein, dennoch braucht man manchmal einen Traum, in den man abgleiten kann. Traumhaft, frei, Oase. Worte, die man mit Urlaub und Beschreibungen von Urlaubsorten und Stränden verbindet. Und mittels einer Tanzfläche hat man die kleinen Urlaubsmöglichkeiten, die traumhaften Oasen immer nah bei sich, ohne sich auf endlos lange Reisen begeben zu müssen.

 

„Auf dem Boden der Tatsachen liegt eindeutig zu wenig Glitzer.“ - noch so ein Postkartenspruch.

 

Vielleicht liegt es daran, dass ich mich für Tanzarten entschieden habe, die mich in die Luft gehen lassen?

Den Boden der Tatsachen verlassen, die Tür verschließen, sich der Musik hingeben, fühlen, spüren, lieben, sich bewegen.

 

Ja, klingt zugegebenermaßen ähnlich wie die Beschreibung von gelebter Leidenschaft und ist es auch. Leidenschaft findet nicht immer nur dann statt, wenn alles rosig ist und die Sorgenwolken sich verzogen haben. Auch Trauer, Wut, Sehnsucht, Begierde, Zögern, Zaudern, Schmerz und Ohnmacht können tänzerisch ausgedrückt werden.

 

Ausdruck der Tiefe

Vor vielen Jahren erhielt ich die Nachricht einer lieben Freundin, dass ihr Mann verstorben sei. Ich weinte, ich fühlte mit, ich wollte sie in den Arm nehmen, ich wollte den Schmerz von ihr nehmen. Wir telefonierten lange, aber faktisch ließ die Entfernung mehrerer hundert Kilometer nicht mehr Nähe zu.

Ich fühlte mich leer. Unaufgeräumt. Traurig.

 

Ich ging ins Studio und tanzte. Es war das erste Mal, dass ich Gefühle, die man gemeinhin als negativ erachtet, versuchte in Bewegungen umzusetzen. Gepaart mit der passenden Musik war es Seelenbalsam. Ich tanzte auch als Hommage, ich tanzte auch für meine Freundin, ich tanzte mit meiner Seele.

 

Mein Weg, mit dem Schmerz umzugehen, half dabei nur mir. Die Situation meiner Freundin konnte ich in diesem Moment nicht verbessern. Zu einer Verbesserung der Situation waren allerdings auch die anderen Optionen (sich betrinken, zu viel rauchen) kaum geeignet.

 

Und so tanzte ich eine Hommage und neben einer Trauerkarte, erhielt die Freundin den Link zum Video der getanzten mitgefühlten Trauer. Dies konnte sie sich ansehen und verstehen oder es auch bleiben lassen, es war ihre Entscheidung.

 

Sicherheit und Vertrauen

Man öffnet sich nur dann ganz, wenn man sich sicher fühlt. Man lässt sich nur dann fallen, wenn man weiß, dass man aufgefangen wird. Man ist nur dann ganz bei sich, wenn man keine Angst haben muss, dass diese Seelenoffenbarung einem zum Nachteil gereichen kann.

 

Leider haben die meisten Menschen schon mindestens einmal erlebt, dass sie auch in diesen Belangen enttäuscht wurden. Man fühlte sich frei und wurde ausgelacht. Man gab sich den falschen Menschen hin, man erlebte, wie Vertrauen missbraucht wurde.

 

Vielleicht ist das das Geheimnis mitreißender Tänzer? Die kaputten Seelen würden am schönsten tanzten, so eine beiläufig ausgesprochene Bemerkung einer sehr geschätzten Kollegin.

 

Der Boden als Tanzpartner kann einen dabei ebenso wenig enttäuschen wie eine Pole oder ein Hoop. Zwar behaupte ich immer wieder, dass auch diese Trainingsgeräte ein Eigenleben hätten, aber gegenüber menschlichen Tanzpartnern haben sie mehrere Vorteile: Es ist ihnen egal, ob man geschminkt oder ungeschminkt ist, es ist ihnen egal, ob man nicht perfekt ist, es ist ihnen egal, wie alt man ist, sie bleiben an Ort und Stelle, sie verlassen einen nicht und sie nehmen es einem nicht übel, wenn man sie beschimpft oder tritt.

 

Sie haben es in den seltensten Fällen verdient. Dem vernünftigen Ego ist sehr wohl bewusst, dass weder der Boden noch das Trainingsgerät etwas dafürkönnen, wenn der Move nicht so funktioniert, wie man es sich vorstellt.

Doch einen Ort zu haben, an welchem man auch wieder trotziges Kleinkind sein darf und dennoch wiederkommen kann, weitermachen darf, auch das ist eine Form der Sicherheit.

 

Türen schließen

Heute werden die Türen des Studios während der Kurse verschlossen. Die Fluchttüren sind offen. Man kann jederzeit „fliehen“, doch niemand kann unbemerkt, ohne Einladung und ohne bewusste Entscheidung während der Kurse den (T)Raum betreten.

 

Zu Beginn war das anders. Ich hielt zunächst die Philosophie der offenen Türen für sinnvoll. Bis wir mehr als einmal mitten während des Tanzens jäh gestört und unterbrochen wurden. Es war kein sanftes Aufwecken, kein schüchternes Eintreten in einen fremden Raum. Es war das Hereinplatzen meist mehrerer halbwüchsiger Jugendlicher, die die Tür aufrissen und „Ausziehen“ brüllten.

 

Von da an, verschloss ich die Türen während der Trainingsstunden.

Vergleicht man die Trainingseinheiten mit Urlaub oder im Idealfall mit einem schönen Traum, so möchte man auch aus diesem nicht unsanft herausgerissen werden.

 

Heute kommen leider weitere Sicherheitsaspekte dazu. Möglichen durchdrehenden Zeitgenossen, die meinen mit Messern in ein Sportstudio eindringen zu müssen, um Menschen zu verletzen, wird so Einhalt geboten.

 

Und so dient das Abschließen der Türen während unserer Trainingsstunden mehreren Aspekten. Wir sind unter uns. Wir stellen einen geschützten Raum her. Wir bilden eine Gemeinschaft, wir träumen gemeinsam. Wir fangen uns auf und lassen die Seele frei.

 

Tanz auf der Bühne

Wie passen diese Beschreibungen mit Auftritten zusammen? Auch eine Bühne ist ein geschützter Raum. Die Bühne hat der Tänzer, die Tänzerin, die Tanzgruppe für sich.

Die Bühne wird nicht vom Publikum betreten. Die Bühne ist räumlich vom Publikum getrennt.

 

Die Beleuchtung führt dazu, dass man das Publikum nicht sieht und wenn der Auftritt vorbei ist, dann begibt man sich hinter die Bühne, in einen anderen geschützten Raum.

 

Das Publikum sucht man dann auf, wenn man es selbst entscheidet. Dieser Weg ist einseitig. Während die Person, die eben gerade noch auf der Bühne stand, sich selbst aussuchen kann, ob sie den Backstagebereich verlässt und wann sie das tut, kann das Publikum nicht entscheiden, ob es den Backstagebereich entert und wann es das zu tun gedenkt.

 

Der erhoffte Applaus ist nicht nur die hörbare Beifallsbekundung. Tanzt die Seele, so ist der Applaus der Ausdruck von Respekt und Wertschätzung. Wertschätzung nicht nur gegenüber der Leistung, sondern eben auch Wertschätzung gegenüber der Person, der Seele.

 

Aus all diesen Gründen sind Bühnenauftritte und Shows Momente überschäumenden Adrenalins und Möglichkeiten, Löcher im Fundament wieder zu füllen. Wenn alles gut läuft.

Die Gefahr besteht immer, dass das Fundament eingerissen wird, weil der Auftritt misslingt.

Doch selbst dann bleibt die Oase des geschlossenen Studios.

 

Diamanten schleifen

Als Person, die diese Form des Tanzens für sich (neu) entdeckt, fühlt sich das alles nicht so romantisch an, wie oben beschrieben. Es ist hart, es tut weh, es ist anstrengend und die eigene Leistung scheint nie zu genügen.

 

Ein Diamant entsteht unter viel Druck. Dieser Druck muss zudem lange ausgehalten werden. So fühlen sich mit Sicherheit nicht wenige meiner teilnehmenden Personen. Mecker hier und Kritik da. Nie scheint etwas gut genug zu sein.

 

Deswegen verwende ich häufig den Begriff des Diamantenschleifens. Ich sehe voll Erstaunen, Bewunderung, Hingabe und Begeisterung, wenn sich die schillernde Vielfalt der Seelen langsam zeigt. Und damit das Schillern zum Strahlen wird, die bunten Facetten des Seelenlichts in ihrer Prächtigkeit gezeigt werden können, habe ich immer den Boden der Tatsachen vor Augen.

 

What, if I fall? What if you fly?

Ich mahne, ich kritisiere, ich kommandiere. So lange, bis die Flügel stark genug sind.

Ich möchte, dass die Seelen fliegen lernen, aber ich weiß auch, dass die Gefahr besteht zu fallen. Und eine gefallene Seele ist ebenso dramatisch wie ein gefallener Engel.

Engel und Seelen sollen fliegen!

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