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Nadine Rebel

Leistungsstreifen

Zebrastreifen

Das Leben hinterlässt Spuren, die sich in unseren Gesichtern und in unseren Körpern wiederfinden. Romantisch gesprochen sind es die Narben, die Falten und die Streifen, die ein sichtbares Zeugnis des Erlebten ablegen und uns unverwechselbar und interessant machen können. Den geltenden Schönheitsidealen folgend, sind es Dinge, die in jedem Fall vermieden werden müssen. Sich von den Schönheitsidealen zu verabschieden, denen man so lange gefolgt ist, kann harte Arbeit bedeuten.

 

Schwangerschaftsstreifen

Über 6 Millionen Suchergebnisse in 30 Sekunden erhält man, wenn man in eine Suchmaschine den Begriff eingibt. Und die ersten Seiten zeigen deutlich, dass es etwas Furchtbares sein muss: Vorbeugen, Entfernen, Wegmachen, Verstecken, Behandeln, Verschwinden lassen.

 

Noch bevor man weiß, worum es sich handelt, erkennt man: Es muss etwas sein, was keiner haben will. Es muss etwas sein, was einen Makel darstellt. Es muss etwas sein, wofür man sich schämen sollte.

 

Konkretisiert man die Suche durch die Ergänzung um den Begriff „Definition“ erfährt man, dass es sich um einen Makel handelt, den nur Frauen aufweisen, da nur Frauen schwanger werden können. Wann die Seite das letzte Mal aktualisiert wurde, konnte ich nicht in Erfahrung bringen, doch gemäß des woken Zeitgeistes muss da wohl bald eine Neudefinition her.

 

Man erfährt nun aber (endlich) auch, dass Schwangerschaftsstreifen zu den Dehnungsstreifen gehören. Dehnungsstreifen als sichtbare Veränderung der Haut durch Überdehnung.
Und man liest: „Schwangerschaftsstreifen betreffen einen Großteil aller Frauen nach der Schwangerschaft und können ein nicht zu unterschätzendes kosmetisches Problem für die Betroffenen darstellen.“

 

Da war es wieder: Ein Problem. Ein Makel. Ein Damoklesschwert, was über jeder Frau hängt, die durch ihren Körper Leben geben kann. Innen wächst ein neues Leben, außen wird man hässlich.

 

Schönheitsideale

Und so wird man sozialisiert. Obwohl man mit zunehmendem Bauchumfang kaum mehr ohne einen Spiegel den Bereich unterhalb des Bauchnabels sehen kann, untersucht man diesen Bereich mit fortschreitender Schwangerschaft akribisch. Und irgendwann bricht dann eine Welt zusammen, wenn man sie entdeckt, diese hässlichen blauen, roten und fast violetten Streifen, die sich wie das Geäst vieler Flüsse über die Haut ziehen.

Oh nein! Nicht genug gecremt. Ein sichtbares Zeichen der Fehlbarkeit. 
Nun ist es offiziell: Ich bin hässlich.

 

Abgesehen davon, dass Schwangerschaftsstreifen nur Dehnungsstreifen sind und dass diese bei viel mehr Menschen vorkommen als man meint, kann man diese Streifen auch mit ganz anderen Augen betrachten.

 

Dehnung

Wenn etwas wächst, dann nimmt es Raum ein. Wenn etwas wächst, wird es größer, es entwickelt sich.

Wenn es sich um positive Entwicklungen handelt, um Entwicklungen, denen man Raum geben möchte, so wird man sich freuen, wenn diese voranschreiten.

 

Ein größeres Haus, ein größeres Auto, mehr Platz im Flieger, mehr Sitzfreiheit in der 1. Klasse.

Es gibt so viele Situationen, in denen man es als Privileg erachtet, wenn man mehr Platz hat.

Häufig ist mit dem Einnehmen von mehr Platz auch ein gewisser Status verbunden, den man nach außen zeigen will.

 

Nicht so, wenn man ein neues Leben beherbergt.

 

Wachstum

Personen jeden Geschlechts können Dehnungsstreifen haben. Die Haut wird gedehnt und kommt so schnell nicht mit und reißt. Das tut nicht weh, das beeinträchtigt nicht ihre Funktionsweise und es lässt einen auch nicht als Invaliden zurück.

 

Und dass diese Streifen hässlich sind, das sagt nur die Kosmetikindustrie oder die Branche der Schönheitschirurgie. Diese Vertreter tun dies aber seit vielen Jahren und Jahrzehnten mit Nachdruck. So haben sie es geschafft, dass man sich schämt, wenn der Körper sichtbare Beweise von Wachstum zeigt.

 

Natürlich können Dehnungsstreifen auch entstehen, wenn man „fett“ wird. Dem Körper ist es egal, ob man Muskelmasse, Fett oder ein Kind in sich heranreifen lässt, wenn die Haut nicht mehr kann, reißt sie eben.

 

Dabei können Dehnungsstreifen fast überall entstehen: Po, Oberschenkel, Brust, Arme, Beine.

 

Oh mein Gott! Wie furchtbar

 

Schämst Du dich eigentlich nicht?

Eine junge Frau hat mich vor vielen Jahren einmal mit meiner Hässlichkeit konfrontiert.

Bei einem Sport-Workshop, den ich leitete, konnte sie einen oder mehrere Blicke auf meinen Bauch werfen. Sie kam zu mir und fragte mich mit gedämpfter Stimme, ob ich mich eigentlich nicht schämen würde, meinen Bauch so zu zeigen, weil ich doch ziemliche Schwangerschaftsstreifen hätte.

 

Zu diesem Zeitpunkt waren meine Kinder schon beide Jugendliche, die Streifen also bereits gut verblasst. Stolz war ich nie auf die Streifen, aber ich hatte sie bisher auch nicht als gar so großes Makel empfunden. Demnach war ich ziemlich erstaunt, ob der Frage und auch ob der Art, in welcher diese formuliert worden war.

 

Auch verwunderte mich die Tatsache, dass jemand so sehr darauf geachtet hatte. Die eigene Perspektive leitet den Blick, das wurde mir im Gesprächsverlauf klar. Die junge Frau hatte erst vor Kurzem ein Baby bekommen und sich mit den Veränderungen ihres Körpers noch nicht angefreundet. Die durch die Industrie proklamierten Schönheitsideale taten ihr Übriges.

 

Die Perspektive wechseln

Dabei ist es möglich, diese Zeichen ganz anders zu sehen und ganz anders mit ihnen umzugehen. Das hat mir die junge Generation sportbegeisterter Männer gezeigt, respektive mein Sohn.

 

Vor ca. 2 Jahren begann er im Fitnessstudio zu trainieren. Ein Training, welches die Entwicklung des schlaksigen jungen Kerls zwischen Teenager und Zwanziger auch äußerlich sichtbar werden ließ. Das gesunde Selbstvertrauen, das Wissen darum, eine eigene Meinung zu haben und diese auch zu vertreten, das eigene Auftreten – all das wuchs und nahm mehr Raum ein. Und durch das Training im Gym folgte auch der Körper diesem Wachstum.

 

Das Ziel, Muskulatur aufzubauen, war klar definiert und ließ sich Stück für Stück und in durchaus gesunder Weise (natural) erreichen.

Und was geschah: Dehnungsstreifen!

 

Stolz

Und nun wurde ich überrascht. Nein, es war kein Drama. Nein, es war auch keine Überraschung, dass dies geschah. Und nein, man ärgerte sich nicht darüber und man schämte sich auch nicht.

 

Vielmehr wurden diese Streifen als sichtbares Zeichen der eigenen Leistung gesehen.

Man hat sich das Ziel gesetzt, sich zu entwickeln, zu wachsen, an Muskelmasse zuzulegen.

Die Dehnungsstreifen waren und sind nichts weiter als ein sichtbarer Beweis dafür, dass man in der Lage ist, die selbstgesetzten Ziel zu erreichen.

 

Wow!

Und innerlich zog ich meinen Hut. Es war eine solch selbstverständliche Souveränität, mit der das Auftreten dieser Streifen registriert wurde, dass man fast neidisch werden konnte.

 

Geisel der Ideale

Hier wurde nicht das Ideal, welches in sozialen Medien und durch die Kosmetikindustrie proklamiert wird, übernommen. Nein, es wurden eigene Ideale kreiert. Ideale, die zum eigenen Lebensinhalt passen.

 

Es wurde eine Tatsache und etwas Harmloses, welches zum Inbegriff sichtbarer Hässlichkeit erklärt worden war, einfach anders betrachtet.

 

Wäre es nicht schön, wenn wir die Streifen unserer Entwicklung, die Narben auf der Haut und auf der Seele, die Falten, die sich um unsere Augen eingegraben haben, weil wir so viel gelacht haben, die Falten, die sich auf unserer Stirn zeigen, weil wir so viel nachgedacht haben oder auch zornig waren, die Mundlinien, die davon zeugen, dass wir gelacht und geweint haben – wenn wir all das nicht als Zeichen unserer eigenen Geschichte und Schönheit sehen könnten?

 

Bestimmt. Noch kann ich es nicht. Noch bin ich selbst gefangen im Käfig der Schönheitsideale.

Die Liste der Punkte, mit denen ich nicht zufrieden bin, weil ich sie – gemäß den von außen auferlegten Standards – als hässlich empfinde, ist lang.

 

Und ich verstehe beide Seiten: Erzählen mir andere Personen, was sie an sich nicht mögen, kann ich es meist nicht nachvollziehen. Ich sehe die Dinge nicht, die die Personen als vermeintlichen Makel aufzählen. Manchmal empfinde ich genau diese Dinge als untrennbar mit der Person verbunden, als Zeichen ihrer eigenen Schönheit, ihrer Einzigartigkeit.

 

Bei mir selbst gelingt mir das (aber auch) nicht. 
Und so habe ich viele Wochen mit dem Zögern verbracht, ob ich diesen Artikel überhaupt schreiben soll – und mich nun doch dazu entschlossen.

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